Die Backofeninitiative - Eine besondere Reise nach Madagaskar
Wie schafft man es, einem Menschen am anderen Ende der Welt zu helfen und ihm ein Stück des eigenen Wohlstandes abzugeben?
Ein Reisebericht von Arne Kübitz
Es war 11.15 Uhr in Antananarivo / Madagaskar, als ich nach elf Stunden Flug am
internationalen Flughafen Ivato angekommen war. Ich konnte es gar nicht erwarten
aus den zwei Pullovern, einem Hemd, drei T-Shirts und zwei Hosen herauszukommen.
Meine Jacke klemmte ich mir unter den Arm, um keinen Hitzschlag zu bekommen.
Bei dreißig Grad im Schatten und der stechend tropischen Sonne, wären
soviel Klamotten am Leib wirklich nicht nötig gewesen. Aber es gab natürlich
einen Grund dafür, dass ich soviel anhatte.
Ich habe das Glück gehabt in einem reichen Land geboren
worden zu sein. Der weit größere Teil der Menschen hat Mühe die
täglichen Grundbedürfnisse zu stillen, worum ich mir keine Sorgen
zu machen brauche. Damit habe ich nicht nur ein Privileg, sondern auch eine
Verantwortung gegenüber anderen.
Vor drei Jahren hatte ich Nana, einer madagassischen Freundin, ein Versprechen gegeben.
Sie arbeitete seit langem selbständig als Bäckerin und Konditorin in Tuléar,
einer Provinzhauptstadt im Süden Madagaskars. Ihre Arbeitsbedingungen waren mit denen
deutscher Bäckereien nicht vergleichbar. Ein Holzkohleofen Marke Eigenbau,
ein Arbeitstisch und ein paar Rührschüsseln waren ihre Arbeitsmaterialien,
ein Bretterverschlag diente ihr als Unterstand.
Es reichte um die Anfragen einzelner Kunden nach ein paar Kuchen zu befriedigen,
für größere Aufträge aber nicht. Die wirtschaftliche Situation in
Madagaskar war und ist noch immer schwierig. Als Entwicklungsland versucht es auf
die Beine zu kommen, doch muß es mit den vielen Widrigkeiten kämpfen, die erst
durch die französische Kolonisation und dann durch vierzig Jahre Mißwirtschaft
und Korruption entstanden sind. Ich bewunderte Nanas Kraft und Ausdauer bei der
harten Arbeit für wenig Geld - aber sie war überzeugt davon das
richtige zu tun.
"Die Idee ist kreativ und individuell. Die meisten Menschen möchten helfen, haben aber häufig Angst, dass ihre Hilfe gar nicht ankommt. Die persönliche Betroffenheit lässt einem manchmal Flügel wachsen." (M.Pröhl)
Zurück in Deutschland begann ich Anfang 2001 mit der Suche nach einem guten
und günstigen Backofen aus der Gastronomie, denn ich hatte den Anspruch
nicht nur irgendein Gerät zu besorgen, sondern ein solides und robustes,
das möglichst lange und zuverlässig funktioniert. Nach den ersten
Preisauskünften wurde mir sehr schnell klar, daß es mit meinen sehr einfachen
finanziellen Mitteln nicht möglich sein würde einen neuen Backofen zu kaufen.
Ich schrieb also verschie- dene Herstellerfirmen und Vertriebe unter der Angabe meines
Anliegens an, um nach gebrauchten Geräten zu fragen. Leider brachte mich das
aber nicht weiter.
So ließ ich mein Versprechen viele Monate schleifen und bekam erst ein Jahr
später einen neuen Motivationsschub, als ich im Internet die Seiten des
Jugendmagazins "Jetzt" entdeckte. Dort fand jeden Monat ein Wettbewerb unter dem Motto
"meine besten Absichten" statt, bei dem die Teilnehmer ihre "besten Absichten" vorstellten.
Zu gewinnen gab es eine finanzielle Unterstützung für das Projekt, das am
meisten Zuspruch von den Lesern bekam. Ich bewarb mich mit meiner Backofeninitiative
und nahm im Juli 2002 am Wettbewerb teil.
"Ich finde es eine sehr gute Idee, Leute in schwierigen Situationen mit Dingen zu unterstützen, mit denen sie sich aus eigener Kraft weiterhelfen können." (A.Gubenko)
Mit Hilfe von über einhundert positiven Stellung- nahmen gewann ich 450,- Euro und
hatte so endlich einen kleinen finanziellen Spielraum. Trotzdem gestaltete sich
die Suche weiterhin schwierig. Ich spezialisierte mich auf Internet-Auktionen, um dort
ein Schnäppchen zu schlagen. Doch leider gab es stets jemanden, der mich am
Ende überbot. Es dauerte weitere acht Monate, bis es soweit war: Ich ersteigerte auf
einen Schlag zwei Gastronomie-Backöfen für 380,- Euro. Das war für mich
das Geschäft des Jahres und ich war froh endlich weiter gekommen zu sein.
Doch die Freude über die erstandenen Öfen wurde schnell von den nächsten
Schwierigkeiten abgelöst. Die Organisation des Transportes erwies sich als recht
kompliziert. Mir standen nur noch 160,- Euro aus dem gewonnenen Geld und einer Spende
meiner Mutter zur Verfügung. Und es waren auch noch die Einfuhrzölle zu zahlen,
von denen ich die Höhe nicht kannte. Der Transport der Öfen per Schiff
sollte ungefähr 500,- Euro kosten und war außerdem mit hohen Verlustrisiken
verbunden. Eine Möglichkeit, die für mich somit ausgeschlossen war.
Im Sommer 2003 plante ich dann die nächste Madagaskarreise für den kommenden Winter.
Ich hatte die Idee die Öfen persönlich bei Nana vorbei zu bringen. Leider konnte ich nur
einen der beiden Öfen auf den Flug mitnehmen, da ich ansonsten das erlaubte Gewicht von
40 Kilo für das Reisegepäck über- schritten hätte. Ich montierte alle
schweren Teile von Nanas zukünftigen Ofen ab, wie z.B. den Motor und die Schutzscheiben, und
konnte so das Gewicht auf 20 Kilo reduzieren. Die schweren Teile nahm ich ins Handgepäck.
Zusätzlich sparte ich an so vielen Reiseutensilien wie möglich und zog mir mehrere Schichten
Klamotten über. Wie am Anfang berichtet, war das nach der Ankunft in Madagaskar eine
schweißtreibende Angelegenheit. Aber ich schaffte es die 40 Kilo einzuhalten. An der Zollkontrolle
des Flughafens musste ich den Karton mit dem Ofen öffnen. Der Beamte fragte, was für
ein Gerät das sei. Ich erklärte ihm, dass es ein Backofen für eine madagassische
Freundin ist. Das war für ihn in Ordnung und er ließ mich passieren.
"Ich finde die Idee sehr gut! Man sollte seine Augen stets offen halten für Menschen, die unter schwierigen Umständen zu leben haben. Dabei darf man sich nur nicht von der großen Masse entmutigen lassen, denn auch einzelnen Menschen zu helfen ist vorbildlich." (M.Luitjens)
Ich hatte das Glück, dass der neue Präsident von Madagaskar für zwei Jahre
alle Einfuhrzölle auf Elektrogeräte aufgehoben hatte, um die madagassische Wirtschaft
in Schwung zu bringen. Ich schob meinen Gepäckwagen hinaus in die Wartehalle des Flughafens,
wo mich Nana und ihr Bruder Hery bereits erwarteten. Mir lief der Schweiß in Strömen und die
Nacht im Flugzeug steckte mir noch in den Knochen. In Paris hatte ich fast acht Stunden am
Flughafen Orly verbracht, da sich mein Abflug um vier Stunden verspätete. Wenigstens waren
die vielen Klamotten am Leib in Paris bei Temperaturen um den Gefrierpunkt noch nützlich gewesen.
Nach der herzlichen Begrüßung suchte Hery uns ein Taxi für die Fahrt ins Zentrum von
Antananarivo. Dort wohnte und arbeitete Nana inzwischen, da sie das angenehmere Klima des Hochlandes
besser vertrug, als die Hitze des Südens. Sie mich in ihre Einzimmerwohnung auf, die
mit 15 Quadratmetern für zwei Personen nicht sehr viel Platz bot. Aber Madagassen teilen
gerne das, was sie haben, auch wenn es nach unserem Verständnis sehr wenig ist.
"Ich hoffe sehr, dass sie ihren Ofen bekommt, weiß ich doch, wie hart die Mehrzahl der Madagassen für ein Brot oder für eine Schüssel Reis arbeiten muss." (G.Guenther)
Nana erzählte, dass sie das Haus, das sie ursprünglich für die Arbeit gemietet hatte,
während der politischen Krise im letzten Jahr an den Besitzer zurückgeben mußte.
Seit dem arbeitete sie in ihrer Wohnung und im Studentenzimmer ihrer Schwester, die im benachbarten
Stadtviertel wohnte. Das waren beengte Verhältnisse, die sehr viel Improvisationsvermögen
verlangten, vor allen Dingen wenn sie zum Beispiel den Auftrag bekommt für eine Feier 100 Pizzas
zu backen. Da arbeitet dann die halbe Familie und alle Freunde auf ein paar Quadratmetern die ganze
Nacht durch! Am späten Nachmittag packten wir gemeinsam den Backofen aus und Nana
organisierte Freunde und Familie für den Transport des Ofens zur Schwester.
In Nanas Wohnung war nicht mehr genug Platz und so beschloß sie den Backofen bei ihrer Schwester
unterzubringen. Kurze Zeit später zog eine kleine Karawane von 7 Personen durch die
inzwischen dunklen Gassen von Antananarivo. Meine kleine Taschenlampe hatte ich mitgenommen,
um den Weg ein bisschen erleuchten zu können. Es herrschte ausgelassene Stimmung.
Die Männer wechselten sich mit dem Tragen des Ofens ab, Nana und ihre Schwester Fara
gingen am Ende.
"Tolle Idee, die zwar "nur" ein kleiner Tropfen auf den heißen Stein ist, aber wenn es viele auch so machen, GROSSES bewirken kann..." (T.Runge)
Ich war mal wieder erstaunt, wie unbeschwert Madagassen Dinge angehen. In Deutschland hätten
wir den Ofen erst mal wieder gut verpackt, eine Checkliste erstellt, was für den Transport
noch benötigt wird, einen Transporter gemietet, die Arbeitskräfte sozialversichert
und eine Transportversicherung abgeschlossen - um es mal etwas zu übertreiben.
Madagassen sind da anders. Sie machen sich weniger Gedanken um die Sicherheit, sind spontan und
haben ihr eigenes Verständnis von Organisation. Nach einer viertel Stunde kamen wir bei
Nanas Schwester an, die in einem noch kleineren Zimmer wohnte.
Die nötigsten Möbel verbrauchten schon fast den gesamten Raum, nur eine Ecke war noch frei.
Dort sollte der Backofen stehen. Die Steckdose war praktischerweise auch schon direkt dahinter
angebracht. Das war ein glücklicher Zufall, denn es ist nicht selbstverständlich, dass
in madagassischen Wohnungen mehrere Steckdosen im Raum verteilt sind. Jetzt kam also der letzte
Schritt: ich mußte den Ofen wieder zusammenbauen. Dazu hatte ich mir in Deutschland bei der Demontage
einen ganz genauen Plan gemacht und alle Kabel numeriert.
"Die Idee ist sehr gut. Gezielte Hilfe bewirkt eine direkte Veränderung. Ich hoffe es gelingt und wünsche viel Glück." (T.Schnitger)
Wir zwängten uns alle in den Raum und ich fing an vor dem Bett kniend den Backofen darauf zu
bearbeiten. Es wurde gerätselt, ob ich denn so eine Art Feinmechaniker wäre, oder
einen ähnlichen Beruf gelernt hätte. Während Fidy ausdauernd seine Scherze trieb,
besorgte Nanas Schwester Fara erst ein paar Schraubenzieher, die mir die Arbeit erheblich
erleichterten und dann Coca-Cola für alle gegen den Durst. Die Montage zog sich in
die Länge, da ich alles sehr sorgfältig machen wollte, um ja keinen Fehler zu riskieren.
Es war inzwischen schon zehn Uhr und alle waren müde. Aber es dauerte noch eine halbe
Stunde bis der Backofen wieder komplett war.
Es gab eigentlich keinen Grund, warum er nicht hätte funktionieren sollen, aber mir
fiel dennoch ein Stein vom Herzen, als ich den Schalter betätigte und der Ofen seine ersten
Lebenszeichen von sich gab. Allgemeine Freude über den neuen Ofen war angesagt.
Für Nana bedeutete er eine erhebliche Arbeitserleichterung. Für mich bedeutete dieser
Moment die lang ersehnte Einlösung eines Versprechens.
Bevor wir den selben Abend müde vom Tag ins Bett fielen, überreichte ich Nana noch das
restliche Geld.
"Ich unterstütze die Backofen-Idee für Nana und hoffe, dass sie sich bald in die Realität umsetzen lässt." (J.Macke)
"Absolut unterstützenswert! Hilfe zur Selbsthilfe. Aber kann man sich dort den Stromverbrauch solcher Öfen überhaupt leisten? Und gibt es ausreichend starke Stromanschlüsse?" (N.Müller)
Das war für sie natürlich noch mal eine Überraschung, denn immerhin war es ein
halbes Jahresgehalt eines durchschnittlich verdienenden Madagassen.
Mit diesem Geld wird sie sich wieder ein kleines Haus für Herstellung und Verkauf ihrer
Backwaren leisten können. Sie ist schon auf der Suche.